Drittes Geschlecht in Stellenanzeigen: So vermeiden Sie auch künftig ungewollte Diskriminierung

Drittes Geschlecht in Stellenanzeigen: So vermeiden Sie auch künftig ungewollte Diskriminierung

Die Zeit, in der Stellensuchende als Bewerberinnen und Bewerber bezeichnet wurden, ist vorbei. Neben „männlich“ oder „Herr“ sowie „weiblich“ oder „Frau“ ist mit „divers“ das dritte Geschlecht eingeführt worden. Das hat weitreichende Folgen für betriebliche Abläufe und führt bei Arbeitgebern zu Verunsicherung.

Wie Sie eine Stellenanzeige geschlechtsneutral formulieren und worauf Sie beim Recruiting achten sollten, das erfahren Sie hier.

Intersexualität als das dritte Geschlecht – der rechtliche Hintergrund

Bereits bei der Geburt ordnen Eltern und Ärzte einem Neugeborenen ein Geschlecht zu, das später im Personalausweis, auf Abschlusszeugnissen und Verträgen vermerkt ist. Im Dezember 2018 hat der Deutsche Bundestag neben „weiblich“ und „männlich“ ein drittes Geschlecht beschlossen, das mit „divers“ bezeichnet wird. Damit hat das Parlament auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2017 reagiert, in dem die Richter entschieden, dass die bisherigen geschlechterspezifischen Optionen gegen das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz) normierte allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen.

Denn nicht immer ist nach einer Geburt das Geschlecht eindeutig zuordenbar. Sind beide Geschlechtsmerkmale vorhanden, ist das Baby intersexuell, wobei die Intersexualität unterschiedliche Ausprägungen haben kann, die anatomischer, genetischer oder hormoneller Art sind. Bis zum 1. November 2013 gab es offiziell nur zwei Geschlechter. Danach gab es die Option, das Geschlecht mit dem Zusatz „ohne Angabe“ in das Geburtenregister eintragen zu lassen. Nach der neuen Gesetzgebung ist es möglich, das Geschlecht mit „divers“ zu bezeichnen und auch im Nachhinein ändern zu lassen, was gleichermaßen für den Vornamen gilt. Allerdings ist der Nachweis eines Arztes zwingend erforderlich.

„Männlich“, „weiblich“, „divers“ – eine Stellenanzeige geschlechtsneutral formulieren

Arbeitgeber sind in Zukunft beim Stellenanzeigen schalten aufgefordert darauf zu achten, dass sie keine Diskriminierung enthalten. Das bedeutet, dass es nicht mehr ausreicht, die beiden bisherigen Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ in der Stellenanzeige aufzuführen. Wird eine Stellenanzeige geschlechtsneutral formuliert, ist es zwingend notwendig, auch die Personen in Stellenausschreibungen zu benennen, die sich dem dritten Geschlecht zuordnen und als „divers“ bezeichnet werden. Werden die gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet, kann das diskriminierend sein. Sofern diskriminierende Formulierungen in Stellenanzeigen nicht sachlich gerechtfertigt sind, sind sie ein Verstoß gegen das AGG, das im August 2006 in Kraft getreten ist.

Was in der Theorie plausibel klingt, ist in der Praxis eine Herausforderung. Bisher ist es mit zwei Geschlechtern gelungen, Berufsbezeichnungen mit geschlechtsspezifischen Endungen zu versehen oder geschlechtsspezifische Berufsbezeichnungen zu formulieren. Beispiele sind Krankenschwester und Krankenpfleger, Kaufmann und Kauffrau, Assistent und Assistentin sowie Geschäftsführer und Geschäftsführerin. Doch nun kommt das dritte Geschlecht hinzu, das nach neuen Konstellationen verlangt, wenn es darum geht, eine Stellenanzeige geschlechtsneutral zu formulieren. Eine mögliche Lösung könnte zum Beispiel die Bezeichnung als „Softwareentwickler (m/w/d)“ sein.

Die Ansprache der Geschlechter im Recruiting

Die Formulierung von Stellenanzeigen ist nicht das einzige Problem, das im Zusammenhang mit dem dritten Geschlecht und dem Antidiskriminierungsverbot auftritt. Auch die Ansprache im Recruiting Prozess gestaltet sich schwierig. War bislang die Rede von Kolleginnen und Kollegen, stellt sich nun die Frage, wie Intersexuelle angesprochen werden sollen. Sie als solche in der Anrede zu bezeichnen, klingt nicht besonders elegant.

Ohnehin ist es fraglich, ob Intersexuelle überhaupt daran interessiert sind, ihr Geschlecht zu offenbaren. Das gilt auch für die direkte Anrede, für die bislang „Herr“ oder „Frau“ ausreichte. Eine mögliche Lösung ist der konsequente Wechsel auf die Verwendung von Vorname und Nachname in Verbindung mit „guten Tag“ auch in der schriftlichen Anrede.

Formulierung von Stellenanzeigen: Die ungewollte Diskriminierung ist kaum vermeidbar

Ungewollte Diskriminierungen sind bei der Formulierung von Stellenanzeigen und beim Recruiting vorprogrammiert, weil eine Person mit dem dritten Geschlecht nicht ohne weiteres als solche zu erkennen ist oder gar nicht als solche erkannt werden will. Dann erfolgt die Anrede unweigerlich auf der Grundlage des Vornamens, der männlich oder weiblich ist. Dann wird es zwangsläufig zu einer direkten Ansprache als „Herr“ oder „Frau“ kommen, was jedoch nach dem AGG für eine Person des dritten Geschlechts diskriminierend sein kann.

So verbietet das AGG Benachteiligungen, die an bestimmte personenbezogene Merkmale anknüpfen, wozu auch die sexuelle Identität gehört. Doch ist nicht allein schon die Bezeichnung als das „dritte Geschlecht“ eine Diskriminierung? Und wer ist dann das „erste Geschlecht“ und wer das „zweite Geschlecht“? Ist es nicht außerdem unhöflich oder gar diskriminierend, eine Person nach der sexuellen Identität zu fragen, nur um eine korrekte Anrede formulieren zu können? Das sind sehr heikle Situationen, in die Personalverantwortliche im Zusammenhang mit der Formulierung von Stellenanzeigen und beim Recruiting geraten können, da höchstpersönliche Fragestellungen nicht erlaubt und die perfekte Stellenanzeige im Hinblick auf das AGG ohne Bedeutung sind.

Wer es dann endlich geschafft hat, Menschen mit unterschiedlicher biologischer Herkunft ins Unternehmen zu bringen, steht bereits vor der nächsten Herausforderung. Ist es notwendig, separate Toiletten für Menschen mit der Bezeichnung „divers“ einzurichten oder werden schlussendlich alle Geschlechter eine All-Gender-Toilette benutzen? Tatsächlich erfordert die Auseinandersetzung mit den Geschlechtern eine Menge Zeit, die Personaler sicher an anderer Stelle sinnvoller investieren könnten. Stattdessen wird die Arbeit komplizierter, nicht nur, wenn es darum geht, eine Stellenanzeige geschlechtsneutral zu formulieren. Die Personalarbeit wird auch mit Hilfe von zielgruppenorientiertem Bewerbungsmanagement zu einem täglichen Balanceakt in dem Bemühen, möglichst nicht in das nächste Gender-Fettnäpfchen zu treten.