Das Online-Leseverhalten von Kandidaten
Stellenanzeigen werden von verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich gelesen: Das ist das Ergebnis einer Studie der Jobbörse Jobware. Gibt es einerseits Kandidaten, welche wahre Querleser sind, fokussieren sich andere auf jedes einzelne Wort.
Doch welche Faktoren beeinflussen konkret das Leseverhalten und wie sollte die Personalbeschaffung dahingehend ausgerichtet werden? Soviel vorab: Die perfekte Stellenanzeige gibt es nicht!
Wahrnehmung einer Stellenanzeige mittels Eye-Tracking
Laut Untersuchungen betrug das Verhältnis zwischen Absolventen und Berufserfahrenen mit mindestens 3 Jahren Berufserfahrung hierbei 3:2. Der Teilnehmerkreis bestand zu 40 Prozent aus Wirtschaftswissenschaftlern, 30 Prozent aus IT-Fachleuten und zu 20 Prozent aus Ingenieuren. Der Rest verteilte sich auf sonstige Berufsgruppen.
Im Rahmen der Studie wurden die Probanden damit beauftragt, insgesamt 150 Online-Stellenanzeigen durchzulesen. In diesem Zusammenhang wurden mittels des sogenannten Eye-Tracking die Augenbewegungen gemessen. Zudem wurde ausgewertet, welche Stellen sich die Teilnehmer besonders häufig und lange ansehen. Anhand des Eye-Tracking waren die Forscher in der Lage, die Blicke der Probanden nachzuverfolgen. Hierzu zeichnete eine Kamera, die in einer speziellen Brille integriert war, die Pupillenbewegungen der Person auf und wertete diese in Form sogenannter „Heatmaps“ aus. Inzwischen greifen Experten sogar auf Bildschirme mit eingebauter Kamera zurück, welche den Blickverlauf aufzeichnen. Aufschlüsse über das Leseverhalten der Teilnehmer gibt hierbei die Synchronisation von Augenbewegung und dem Bildverlauf.
Dank diverser Studien konnte anhand dieser Methode festgestellt werden, wohin der Leser einer Stellenanzeige seinen Blick als erstes zuwendet und welchen Passagen in Anbetracht der Blickdauer eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Signifikante Unterschiede ergab der Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Probanden. Doch auch zwischen einzelnen Branchen wurde ein abweichendes Leseverhalten festgestellt.
Leseverhalten von Männern und Frauen
Gemäß den Studienergebnissen gehen Frauen beim Lesen der Stellenanzeige sorgfältiger sowie akribischer vor. Sie befassen sich demnach intensiver mit den Anforderungen einer Stelle. Männer lesen den Text hingegen nur grob und nehmen sich insgesamt auch weniger Zeit dafür. Im Schnitt widmen sich Frauen etwa 5 Sekunden dem Jobprofil, während Männer lediglich 1,17 Sekunden hierfür vorsehen. Frauen verweilen allerdings nicht nur länger beim Anforderungsprofil, sondern achten gegenüber dem anderen Geschlecht auch stärker auf Arbeitszeitmodelle sowie Soft Skills.
Kritisch vergleichen sie eigene Fähigkeiten und Eigenschaften mit den aufgeführten Anforderungen. Männer gehen da anders vor, was bei der Personalbeschaffung berücksichtigt werden sollte. Sie neigen etwas zur Selbstüberschätzung und sind eher dazu bereit, über nicht erfüllte Anforderungen hinwegzusehen, getreu dem Motto: „Es passt zwar nicht alles, aber was soll`s“.
Aus diesem Grund gelangen sie auch schneller zu einer Entscheidung. Personaler, die Stellenanzeigen schalten, sollten auch den Jobtitel gut wählen: Denn laut der Studie lassen sich Frauen eher von männlichen Berufsbezeichnungen abschrecken (z.B. Senior Project Manager). Auf Männer hinterlassen englische Begriffe im Jobtitel hingegen einen guten Eindruck. Denn diese verbindet das männliche Geschlecht mit einer internationalen Ausrichtung, höheren Ansprüchen sowie einer größeren Herausforderung.
Wirtschaftswissenschaftler lesen anders als Informatiker
Bei der Personalbeschaffung ist zu berücksichtigen, dass die Wahrnehmung einer Stellenanzeige nicht nur vom Geschlecht abhängt. Von großer Bedeutung ist nämlich auch der fachliche Hintergrund. Personaler sollten wissen, dass Geisteswissenschaftler sehr detailliert lesen und sozusagen kein Satz aus den Augen verlieren. Bereits auf das Logo und die Unternehmensdaten wird lange geblickt. Äußerst achtsam studieren die Wissenschaftler Passage für Passage. Selbst die Kontaktdaten sowie der Ansprechpartner entgehen dieser Zielgruppe nicht. Wer demnach im Rahmen des Personalmarketing Geisteswissenschaftler ansprechen möchte, sollte nicht an detaillierten Erklärungen sparen und stattdessen alle relevanten Informationen aufführen.
Wer hingegen einen IT-Experten sucht und dazu eine Stellenanzeige schalten möchte, sollte anders vorgehen. Denn Informatiker zeigen beim Lesen im Vergleich zu Geisteswissenschaftlern ein entgegengesetztes Verhalten. Sie springen im Text deutlich häufiger und lesen insbesondere quer. Im Mittelpunkt stehen bestimmte Keyfacts wie etwa Vertragsart (unbefristet/befristet), Arbeitszeit (Teilzeit/Vollzeit), Startdatum, Standort und Jobtitel. Besonders interessant für diese Zielgruppe ist zudem, welche Rahmenbedingungen das Unternehmen bietet. Erkenntnisse, die sich Personaler bei der Personalbeschaffung zunutze machen sollten. Durch Nutzung von Zwischenüberschriften und die Formulierung kompakter sowie kurzer Sätze kann das Querlesen unterstützt und das E-Recruiting von IT-Fachleuten erfolgreicher gestaltet werden. Bestehen Anzeigen demzufolge lediglich aus Fließtext ist der Rücklauf in der Regel eher gering.
Was es beim Schalten einer Stellenanzeige zu beachten gilt
Anhand weiterer Maßnahmen lässt sich der Erfolg im E-Recruiting laut der Studienergebnisse weiter erhöhen. Zu beachten sind im Rahmen der Personalbeschaffung über eine Stellenanzeige insbesondere folgende Punkte:
- Berufserfahrene möchten die Kernbotschaft in wenigen Sekunden durch Querlesen erfassen können. Absolventen sollten hingegen durch eine starke Bildersprache gelenkt werden.
- Unternehmen, die eine zwei- statt einspaltige Stellenanzeige schalten, sind im Vorteil. Diese Darstellung fördert eine bessere Lesbarkeit sowie eine höhere Erinnerungsfähigkeit.
- Recruiting-Maßnahmen sollen die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gewinnen. Dies gelingt laut Studie besser anhand von drei bis fünf Aufzählungspunkten, als mit einem Fließtext.
- Es geht auch darum, eine Stellenanzeige zu schalten, die von dem potentiellen Bewerber verstanden wird. In diesem Sinne sollte gerade bei branchenfremden Kandidaten von Fachbegriffen, Anglizismen und firmeninternem Vokabular abgesehen werden.
- Visuelle Anreize können beim E-Recruiting nicht schaden. Allerdings sollten Portraits und Bilder verwendet werden, die zur Zielgruppe auch passen.
- Es ist erfolgsversprechender, eine Stellenanzeige zu schalten, bei der Bilder und Texte nicht nebeneinander angeordnet sind. Bei einer vertikalen Anordnung kann sich nämlich der Interessent besser auf den Textinhalt konzentrieren.
Welche Lehre der gewiefte Personaler jetzt daraus ziehen soll? Ganz klar: Das Zielgruppen-Targeting ist einfach nicht zu unterschätzen.